Wie sich das Leben mit Multipler Sklerose entschleunigte

Im laufe der Zeit werde ich in diesem Blogbereich der MS meine Erfahrungen publizieren. Dies bedeutet das ich unter anderem Hilfsmittel beschreibe, welche mein Alltag erleichtern, eventuelle kämpfe um Hilfsmittel erläutere, positive Erfahrungen mit der Inklusion von Behinderten oder einfach mal das Leben beschreibe.

Nunja, dieser Eintrag ist eher eine Beschreibung. Eigentlich eine Positive, auch wenn es sich manchmal vielleicht Negativ lesen wird. Aber ich muss sagen:

Auch wenn das Leben sich verändert hat, ich lebe und genieße das Leben.

Zitat von mir

Seit nun 6 Jahre lebe ich mit der Diagnose, erst war es nicht anders als der Tag davor. Aber so sollte es leider nicht bleiben.

Bis 2023 (an guten Tagen auch jetzt -2024- noch) gehe ich mein Hobby im Garten nach. Mal mehr mal weniger, heutzutage eher weniger). Anfangs war es kein Problem, aber dann erhielt ich erst ein Gehstock, danach ein Rollator und dann ein Rollstuhl, kurze Zeit später ein elektrischen Rollstuhl.

Mit dem Stock ging es noch ganz gut, da habe ich das Bändchen was am Stock dran ist, am Gürtel befestigt und den Rasenmäher geschoben, so hatte ich den Stock immer an der Seite und konnte diesen greifen wenn ich in benötigte.
Beim Rollator, war es etwas komplizierter, aber am Rollator festhalten und dabei den Rasenmäher schieben klappte auch. Hier habe ich mir ein Rasenmäher gekauft, wo der Einschalter des Rasenmäher recht leicht zu drücken ist und er sich so am Rollator befestigen läßt das mäht und es „sicher“ ist.
Mit dem elektrischen Rollstuhl geht es super, draufsetzen und Losfahren, wie bei einem Aufsitzrasenmäher.

Ich mache fasst alles, nur eben Langsamer und manchmal bedachter.


Das was mich hier bremst ist die Fatigue. eine enorme Müdigkeit. Ein Freund von mir (arbeitet in der Pflege) sagt immer das wie ein Schrank mit Tassen. „Bei jeder Aufgabe holst du eine Tasse (Energie) aus dem Schrank. Z.B. beim Zähneputzen, beim Frühstücken, beim essen, beim Einkaufen, beim Rasenmähen, etc.“
So ist es amtlich und habe dann nicht mehr alle Tassen im Schrank.
So bin ich müde und muss die Energie wieder aufladen. Vor 2 Wochen habe ich ganze 10 m² Rasen gemäht, also habe ich 3 Tage gebraucht um mein kompletten Rasen zu mähen statt wie „früher“, also vor der Diagnose, in 30min. Aber gut, ich sage immer:

Ich habe Zeit und brauche mir kein Stress machen.

Zitat von mir

Und wenn ich 1 Woche dafür benötige, naja so ist der Garten, ich sage mal Bienenfreundlich. Und ja hier auf der Straße, ich habe eine Fagus syvatica Tortuosa (umgangssprachlich genannt Süntel-Buche oder Korkenzieherbuche) im Vorgarten, sieht man schon das ich grün mag, ja das schon weit vor der Diagnose.

Vor der Diagnose war ich Informatiker und Ausbilder nach der AEVO. Informatikern sagt man nach, das die wenig Zeit haben und Zuviel arbeiten, ja das kann ich bestätigen. Meine Freizeit musste ich immer in wenig Zeit komprimieren und z.B. Samstag erst mit dem Hund spazieren, dann den Garten, dann einkaufen und dann noch etwas mit meiner Frau unternehmen, und Sonntags dann noch Familie besuchen fahren. Und so war ich Jahrelang in der Spirale des Stress gefangen. Arbeiten, Freizeit (ver-)planen um dann um Entspannung zu bekommen mich Abend / Nachts am PC zu sitzen um an Projekte weiter zu arbeiten oder meine Erklärbär Stunden für die Azubis zu planen. Und natürlich immer erreichbar für vorgesetzte und gute Kunden zu sein (sogar im Urlaub oder an den Feiertagen oder zwischen Weihnachten und Neujahr).

Im diesen Sinne muss ich wirklich sagen mir hat die Diagnose nicht nur die MS „geschenkt“, sondern auch mein Sinn für Freunde und Familie und das Leben selber zurückgegeben. Im näheren Umkreis kennen mich (von sehen) schon so einige, grüßen mich wenn ich dort mit meinem Rollstuhl entlang heize (fahre), egal ob andere Passanten oder Geschäftsinhaber (z.B. eine Eisdiele wo der Chef mich beim 2ten Besuch nach 3 Monaten sofort wiedererkannte und sofort fragte wie es meiner Frau und unseren Hund geht). Oder auch ältere Damen und Herren welche mich auf meinem e Pilot ansprechen (dies ist ein Hilfsmittel welches mir nach Jahren wieder Freiheit schenkte – Dazu schreibe ich auch noch meine persönliche Erfahrung-).

Hier muss ich aber dazu sagen, das ich bisher trotz den Einschränkungen, den Problemen und Komplikationen welche die MS mit sich bringt, Glück habe.
Ich habe diese Diagnose erst mit 36 Jahren erhalten, viele erhalten diese Früher teilweise im Teenager alter. Aufgrund meiner späten Diagnose konnte ich eine gute Ausbildung genießen, meine Sturm- und Drangzeit ausleben, Tanzen lernen, Sport treiben und das, für mich, wichtigste Versicherungen abschließen die ein chronisch Kranker nicht abschließen kann.
Ich habe in den Jahren viele MSler kennengelernt, welche es zu Früh erwischt haben. Aber 1 haben die meisten mit mir gemein, den Humor. Meines Erachtens ist es wichtig den Humor zu behalten. Jeder (natürlich auch ich) hat schlechte Tage oder Tage an denen es einen nicht gut geht, aber lachen und Optimismus ist immer gut. Ich bin zwar etwas Zynischer geworden, aber wenn es jemand stört es gibt auch andere Seiten 😉 und man muss mir auch nicht am Tisch zuhören.

Aber ich schweife mal wieder ab, komme ich doch mal wieder zum entschleunigten Leben zurück:

Wie schon das Beispiel des Rasenmähen, ich versuche viel selbständig zu machen aber es dauert nun mal länger, die letzte Deckenlampe welche ich aufhängte hat 90 Minuten gedauert. Und das waren nur 3x Schrauben, 3x Kabel. Was 2016 noch eine Minuten Arbeit war, ist heute nur noch in einem Kriechkeller möglich, Aber Deckenlampen im Kriechkeller sind irgendwie Sinnfrei. Ich mache eigentlich nur noch Sachen im Sitzen wie Unkraut jähen, Fliegengittertüren von einem Discounter in 3 Tagen zusammensetzen, Rollstuhlfahren und PC spielen (hier habe ich eine VR und es ist toll mal wieder auf einem Berg zu stehen, leider ohne der frischen Luft).

Wie man sieht man kann (fasst) alles, nur wenn es um Sicherheit geht sollte man bedenken ob es Wert ist und um Hilfe fragen. Solange man sich sicher fühlt und auch sicher ist. Sobald man selber merkt das die Gefahr zu groß wird, sollte man aufhören, sein Stolz vergessen und um Hilfe fragen.

Versucht ein entschleunigtes Leben zu genießen, auch wenn man Gesund ist.
Denn auf der Autobahn und der Karriereleiter zu leben gibt zwar (oft)Geld, aber dafür leidet das Leben für Familie und Freunde. Familie und Freunde sind wichtiger, das musste ich leider erst lernen.

Ich lebte um zu Arbeiten.

Quelle: Microsoft Copilot unterstütz durch DALL-E 3

Mein persönliches Fazit zum entschleunigten Leben und Leben mit der chronischen Krankheit

Es ist natürlich besser Gesund zu sein, keine Frage! Auch muss ich sagen (oder besser schreiben) das jede MS anders ist, die eine Person merkt die Erkrankung garnicht, die nächste Person kann sich nicht mehr mitteilen ist am Krankenbett gefesselt. Und dann gibt es die mittleren Beschwerden, darunter zähle ich mich mal und aufgrund dessen schreibe ich wie ich mit meinem Verlauf umgehe. Bei anderen Verläufen kann die Erkrankung wesentlich schwerer verlaufen da verstehe ich dann wenn die andere Erkrankten eine andere Meinung oder andere Vorgehensweisen haben um mit der Krankheit umzugehen. Ich lerne immer wieder das mein Lebensweg mit der MS eine Reise voller Herausforderungen sein kann, aber es ist auch eine, die zu einer tieferen Wertschätzung für die kleinen Freuden des Lebens führen kann. Aufgaben, welche eins in einer halben Stunde erledigt waren können nun mehrere Tage beanspruchen. Hier kann es an Kraft fehlen, an den Pausen, welche mehr eingelegt werden müssen oder an der Fatigue, welche einer der häufigsten Begleiterscheinungen der MS sind.

Doch in der langsameren Gangart liegt auch die Chance, die Welt um mich herum intensiver zu erleben. Ob es der Duft vom frisch geschnittenem Gras ist, das Zwitschern der Vögel im Wald oder Garten, das Lachen und die Gesellschaft von Familie und Freunden – all dies gewinnt für mich an Bedeutung. Dies sind die Momente die für mich das Leben bereichern und Erfüllung bringen.

Humor ist für mich ein mächtiges Werkzeug um mit Herausforderungen oder gewissen Situationen umzugehen. Hier ein Zynischer Witz, dort etwas Sarkasmus und Ironie oder einfach eine humorvolle Bemerkung. Dies hilft nicht nur unangenehme Situationen (auch für andere) zu entschärfen, sondern auch die Erkrankung in einem anderen Licht zu sehen. Humor hilft zwar nicht das man wieder Gesund wird, aber es Hilft die Schwere einer Situation zu mildern. Das Leben ist anders und langsamer geworden, aber ich lernte Geduld, Resilienz und die Kunst, im Hier und Jetzt zu leben. Die kleinen Dinge erfreuen mich im Leben, welche ich vielleicht als arbeitswütender übersehen habe.

Meine Reise ist anders als erwartet, aber dennoch eine, die es wert ist, gelebt zu werden.

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